Historie

Die große Seifert-Orgel der Basilika St. Marien, Kevelaer – ein Rückblick auf 117 Jahre Orgelgeschichte
von Marco Ellmer

1. Vorgängerorgel und Bau der großen Orgel 1905-1907

Die erste Orgel der Marienbasilika wurde vom Kevelaerer Orgelbauer Wilhelm Rütter als sein größtes von ungefähr 50 Orgelwerken erbaut. Das Instrument verfügte über insgesamt 35 Register und drei Manuale. Es war zwar ein wunderschönes Instrument aber leider nicht in der Lage die vollbesetzte Kirche angemessen zu füllen und den Gesang der manchmal bis zu 2000 Gläubigen zu führen. Hinzu kam, dass die Orgel „nicht mehr den Anforderungen entsprach und dem Stand der Orgelbautechnik in keiner Weise mehr genügt“ (Zitat des Organisten Gerhard Korthaus).

Man entschied sich dann im Jahre 1905 dazu, eine neue große Orgel bauen zu lassen. Den Auftrag zum Bau dieses Instrumentes sollte allerdings nur eine Orgelbauwerkstatt erhalten, die gewillt war ihre Firma nach Kevelaer umzusiedeln oder zumindest einen Filialbetrieb zu errichten. Nach eingehender Prüfung vergab Prälat Bertram Brockes den Auftrag an die Firma Ernst Seifert aus Köln-Mansfeld. Dieser schickte daraufhin seinen jüngsten Sohn Karl-Romanus nach Kevelaer, um dort einen Orgelbaubetrieb zu eröffnen, der bis heute existiert.

In nur zwei Jahren entstand somit die damals größte Orgel im deutschen Kaiserreich mit 122 Registern und somit 9 Register größer als die Berliner Domorgel. Die Prüfung durch den damaligen Orgelsachversständigen, Domkapellmeister Carl Cohen aus Köln, bescheinigte dem Instrument „größte Mannigfaltigkeit und geschlossene Einheit, reiche blühende Farbenpracht und majestätische Fülle, lebhafter Glanz und frische Präzision, ungetrübte Reinheit und herrlicher Wohllaut“. Die neue Orgel galt als meisterhaft, überaus glänzende Kunstleistung, welche an Größe und Umfang alle derartigen Werke Deutschlands überragte.

Technisch und klanglich war sie auf dem neusten Stand der Zeit und wies viele Besonderheiten auf. Etwa die vielen Seraphonstimmen (Pfeifen mit zwei Labien über Eck) als Principale, Streicher und Flöten wie sie typisch im US-amerikanischen und englischen Orgelbau jener Zeit waren. Die Bauform war nach Weigle ausgeführt, der hierfür ein deutsches Reichspatent hatte. Ebenfalls gibt es diverse durchschlagende Zungenregister. Klanglich ist die Orgel aufgrund ihres harmonikalen Klangaufbaus mit Quinten, Terzen und Septimen eindeutig als frühe Auswirkung der Elsässischen Orgelreform einzuordnen. Eine weitere besondere Einrichtung war neben den Oktavkoppeln in allen Lagen die sogenannte Melodiekoppel. Sie ist ein Patent vom jüngsten Bruder Ernst Seiferts; Carl Eduard Seifert, auf den viele Erfindungen des damaligen Orgelbaus zurückgehen. Die Melodiekoppel lässt auf dem ersten Manual im Akkord immer den höchsten Ton eines gespielten Akkordes vom zweiten Manual erklingen.

Zur Zeit ihrer Erbauung hatte die Orgel insgesamt 7382 Pfeifen.

Foto: Postkartenfotographie 1913, Privatbesitz Marco Ellmer
Disposition 1907

I HauptwerkII OberwerkIII SchwellwerkIV FernwerkPedal
Principal 16′Viola 16′Salicet 16′Bordun 16′Contrabass 32′
Bordun 16′Gedackt 16′Lieblich Gedackt 16′Principal 8′Bordun 32′
Gamba 16′Principal 8′Geigenprincipal 8′Seraphon Flöte 8′Principalbass 16′
Seraphon Principal 8′Flaut harmonique 8′Seraphon Concertflöte 8′Gedackt 8′Octavbass 16′
Principal 8′Rohrflöte 8′Flaut amabile 8′Violine 8′Violon 16′
Seraphon Fugara 8′Seraphon Gamba 8′Gedackt 8’**Aeoline 8′Subbass 16’*
Seraphonflöte 8′Seraphon Gedackt 8′Seraphon Violine 8′Vox coelestis 8′Gedacktbass 16’*
Flaut major 8′Cello 8′Salicional 8′Labial Oboe 8′ (Kombination)Salicetbass 16′
Gambe 8′Vox Angelica 8′ Aeoline 8′Quintatön 8′Quintbass 102/3
Violine 8′Dolce 8′Vox coelestis 8′ (ab c0)Octave 4′Principal 8′
Gemshorn 8′Quintatön 8′Traversflöte 4′Traversflöte 4′Bassflöte 8’*
Gedackt 8′Octave 4′Cremona 4′Waldflöte 2′Lieblich Gedackt 8′ (Tr. SW)**
Quinte 51/3Rohrflöte 4′Gemshorn 4′Sesquialter 2fBordun 8’*
Seraphon Octave 4′Violine 4′Quintflöte 22/3Trompete 8′Cello 8′
Seraphon Fugara 4′Flauto dolce 4′Flautino 2′Cor Anglais 8′ Dulciana 8’*
Hohlflöte 4′Nasard 22/3Terzflöte 13/5Terzbass 62/5
Octave 4′Octave 2′Sesquialter 2f (Kombination)Quinte 51/3
Flauto 4′Piccolo 2′Harmonia aetheria 3fSeptime 44/7
Terz 31/5Terz 13/5Cornett 5f (Kombination)Seraphon Fugara 4′
Quinte 22/3Sesquialter 2f (Kombination)Oboe 8′Octave 4′
Seraphon Clarine 2′Progressio 3fVox humana 8’**Flöte 4′
Octavin 1′Mixtur 4fTremulantCornett 5f
Mixtur 5fCornett 5f (Kombination)Bombarde 32′
Cymbel 5fFagott 16′Posaune 16′
Cornett 2-4f Trompete 8′Trompete 16′
Tuba 16′ Clarinette 8′ Trompete 8′
Trompete 8′Fagott 8′ 
Euphone 8′ Vox humana 8′ (Tr. SW)**
Seraphon Clarino 2′
Kornett 5f (Kombination)
Fernpedal
Subbass 16′
Gedacktbass 16′
Octavbass 8′
*im Schwellwerk,  **separater Schweller im Schwellwerk („Schwellertremolo“)
2. Erweiterung und Umbau der Orgel 1926
Foto: Willy Ricke

Technische Neuerungen und Stilbewegungen im Orgelbau ließen den Wunsch wachsen, die Orgel zu vergrößern und umzubauen. Die bisher rein pneumatische Ansteuerung der Windladen wurde, wie auch schon das Fernwerk seit Erbauung, elektrifiziert und die Windanlage verändert. Bisher stand ein großer Doppelfaltenmagazinbalg auf dem Dachboden der Basilika wo der Motor (Modell Kinetic Swanton) kalte Luft ansaugte, die für Verstimmungen der Pfeifen sorgte. Daher erhielt die Orgel zwei neue große Gebläsemotoren, die im Instrument Aufstellung fanden. Das Schwellwerk wurde nach oben verlegt und vergrößert.

Ein neuer elektrischer fahrbarer Spieltisch wurde gebaut, der bis heute in großen Teilen erhalten geblieben ist. Dies wurde auch nötig, weil auf der 1926 vergrößerten Orgelbühne der Chor und das Orchester Platz finden sollten. Da aber der feststehende Spieltisch störend wirkte, musste er beweglich eingerichtet werden.

Die Disposition wurde im Sinne der Elsässischen Orgelreform noch mehr erweitert. Das Schwellwerk erhielt im Stile Cavaillé-Coll’s eine Zungenbatterie in 16‘, 8‘ und 4‘ Lage sowie eine Mixtur 4fach (bei dieser handelt es sich höchstwahrscheinlich um Pfeifen von Rütter, vielleicht sogar aus der alten Basilikaorgel) und eine sphärenhaft klingende Celesta der Firma Schiedmayer.

Disposition 1926
I HauptwerkII OberwerkIII SchwellwerkIV FernwerkPedal
Principal 16′Viola 16′Salicet 16′Bordun 16′Contrabass 32′
Bordun 16′Gedackt 16′Lieblich Gedackt 16′Principal 8′Bordun 32′
Gamba 16′Principal 8′Seraphon Principal 8′Seraphon Flöte 8′Principalbass 16′
Seraphon Principal 8′Flaut harmonique 8′Geigenprincipal 8′Gedackt 8′Octavbass 16′
Principal 8′Rohrflöte 8′Seraphon Concertflöte 8′Violine 8′Violon 16′
Seraphon Fugara 8′Seraphon Gamba 8′Horn 8′ Aeoline 8′Subbass 16′
Seraphonflöte 8′Seraphon Gedackt 8′Flaut amabile 8′Vox coelestis 8′Gedacktbass 16′
Flaut major 8′Cello 8′Gedackt 8′Labial Oboe 8′ (Kombination)Salicetbass 16′
Gambe 8′Vox Angelica 8′ Seraphon Violine 8′Quintatön 8′Quintbass 102/3
Violine 8′Dolce 8′Salicional 8′Octave 4′Principal 8′
Gemshorn 8′Quintatön 8′Aeoline 8′Traversflöte 4′Bassflöte 8′
Gedackt 8′Octave 4′Vox coelestis 8′ Waldflöte 2′Lieblich Gedackt 8′
Quinte 51/3Rohrflöte 4′Octave 4′Sesquialter 2fCello 8′
Seraphon Octave 4′Violine 4′Traversflöte 4′Trompete 8′Dulciana 8′
Seraphon Fugara 4′Flauto dolce 4′Cremona 4′Cor Anglais 8′ Terzbass 62/5
Hohlflöte 4′Nasard 22/3Gemshorn 4′CelestaQuinte 51/3
Octave 4′Octave 2′Quintflöte 22/3Septime 44/7
Flauto 4′Piccolo 2′Flautino 2′Seraphon Fugara 4′
Terz 31/5Terz 13/5Terzflöte 13/5Octave 4′
Quinte 22/3Sesquialter 2f (Kombination)Sesquialter 2f (Kombination)Flöte 4′
Octave 2′Progressio 3fHarmonia aetheria 3fCornett 5f (Kombination)
Octavin 1′Mixtur 4fMixtur 4fBombarde 32′
Mixtur 5fCornett 5f (Kombination)Carillon 3f (ab c1)Posaune 16′
Cymbel 5fFagott 16′Cornett 5fTrompete 16′
Cornett 2-4fTrompete 8′Tuba 16′Trompete 8′
Tuba 16Clarinette 8′ Trompete 8′Fagott 8′ 
Trompete 8′Oboe 8′Seraphon Clarino 2′
Euphone 8′ Krummhorn 8′
 Vox humana 8′Fernpedal
Clairon 4′Subbass 16′
TremulantGedacktbass 16′
Octavbass 8′
3. Wiederherstellung nach dem Krieg 1945 – 1949

Die Freude über die erweiterte und umgebaute Orgel währte nicht lange. Nachdem schon 1917 die Prospektpfeifen aus Zinn zu Rüstzwecken abgegeben und durch Zinkpfeifen ersetzt wurden, wurden zum Ende des zweiten Weltkrieges die Silberkontakte im Spieltisch ausgebaut. Die Orgel war damit unspielbar.

Darüber hinaus war sie durch das beschädigte Kirchendach starker Witterung ausgesetzt. Das wertvolle Orgelgehäuse wurde fast bis zur Hälfte zersägt und als Heizmaterial verfeuert, die Orgel größtenteils ausgeräumt und als „Wohnung“ und Lazarett für verwundete Soldaten genutzt. Die wertvollen Figuren und Schnitzereien konnten zum Glück vom damaligen Küster rechtzeitig vor der Zerstörung gerettet werden.

In den letzten Tagen des Krieges wurde dann auch noch das Fernwerk auf der Nordempore durch einen Bombentreffer vollständig zerstört. Der traurige Anblick der Hauptorgel zeigt sich auf dem Foto aus dem Archiv der Firma Seifert.

Sofort nach Kriegsende begann eine provisorische Wiederherstellung der Orgel. Die offenen Lücken wurden mit Zinkpfeifen gefüllt und ein sogenannter „Freipfeifenprospekt“ erstellt. Wie durch ein Wunder konnten, trotz Materialknappheit, immerhin 110 Register wieder spielbar gemacht werden. Allerdings nicht in originaler Klanggestalt.

Schon mit dem ersten Weltkrieg fanden die Bestrebungen der Elsässischen Orgelreform ein jähes Ende. Es formierte sich die sogenannte Orgelbewegung, in der mehr man weg vom symphonisch-orchestralen Klang wollte und die Instrumente polyphone Musik transparent darstellen sollten. Aus diesem Grund wurden auch in Kevelaer einige artfremde Register eingefügt, die keine Rücksicht auf den Bestand nahmen.

Für das zerstörte Fernwerk sollte ein barockes Unterwerk mit 12 Registern Ersatz bieten. Dieses konnte aber aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht realisiert werden und wurde 1947 in die gleichfalls im Wiederaufbau befindliche Seifert-Orgel des Münsters St. Qurinus in Neuss eingebaut.

Foto: Archiv der Fima Seifert, 1949
Disposition 1949

I HauptwerkII OberwerkIII SchwellwerkIV FernwerkPedal
Principal 16′Viola 16′Lieblich Gedackt 16′nach Zerstörung nicht wieder aufgebautContrabass 32′
Bordun 16′Gedackt 16′Seraphon Principal 8′Celesta (in die Hauptorgel übertragen)Bordun 32′
Seraphon Principal 8′Principal 8′Geigenprincipal 8′Principalbass 16′
Principal 8′Flaut harmonique 8′Seraphon Concertflöte 8′Octavbass 16′
Seraphon Fugara 8′Rohrflöte 8′Spitzflöte 8′Violon 16′
Seraphonflöte 8′Seraphon Gamba 8′Horn 8‘Subbass 16′
Flaut major 8′Seraphon Gedackt 8′Flaut amabile 8′Gedacktbass 16′
Gambe 8′Cello 8′Gedackt 8′Salicetbass 16′
Violine 8′Vox Angelica 8′ Quintadena 8′Quintbass 102/3
Gemshorn 8′Dolce 8′Aeoline 8′Principal 8′
Gedackt 8′Quintatön 8′Vox coelestis 8′ Bassflöte 8′
Quinte 51/3Octave 4′Octave 4′Lieblich Gedackt 8′
Seraphon Octave 4′Rohrflöte 4′Traversflöte 4′Dulciana 8′
Seraphon Fugara 4′Violine 4′Cremona 4′Quinte 51/3
Hohlflöte 4′Flauto dolce 4′Nachthorn 4′Seraphon Fugara 4′
Octave 4′Nasard 22/3Gemshorn 4′Octave 4′
Flauto 4′Octave 2′Quintflöte 22/3Flöte 4′
Quinte 22/3Piccolo 2′Flautino 2′Hintersatz 5f
Octave 2′Terz 13/5Terzflöte 13/5Bombarde 32′
Flöte 2′Progressio 3fMixtur 4fPosaune 16′
Octavin 1′Mixtur 4fTerzcymbel 3fTrompete 16′
Rauschquinte 2fOctavcymbel 3fCarillon 3f (ab c1)Trompete 8′
Mixtur 5fScharff 5fTuba 16′Fagott 8′ 
Cymbel 5fFagott 16′Trompete 8′Clairon 4′
Cornett 4f (ab c°)Trompete 8′Oboe 8′Seraphon Clarino 2′
Tuba 16′Clarinette 8′ Krummhorn 8′
Trompete 8′Schalmei 4′Vox humana 8′
Euphone 8′ Clairon 4′
Kopftrompete 4′Tremulant

4. Rekonstruktion und Rückführung 1977 – 1981
Foto: Postkartenfotographie 1982, Privatbesitz Marco Ellmer

Im optischen Zustand des Archivfotos der Firma Seifert von 1949 verblieb die Orgel bis zum Jahr 1976 in welchem sie, während eines besonders heißen Sommers, vollständig verstummte. Schon bis dahin wurde sie immer nur notdürftig repariert und gewartet. Sie funktionierte „nach Wetterlage“ mehr oder weniger gut. Eine größere Maßnahme wurde wegen den teuren Instandhaltungskosten der Basilika nie realisiert.

Die große Orgel drohte jetzt vollständig zu zerfallen. Es stand die große Frage an, wie man in der Basilika mit der Orgelsituation umgeht. Glücklicherweise haben viele Fachleute den schlummernden Wert und die Qualitäten der einst so hochgelobten Großorgel erkannt. Besonders seien hier zu nennen: Professor Wolfgang Stockmeier und der Orgelsachverständige des Bistums Aachen & Münsterkantor aus Mönchengladbach Viktor Scholz. Letzterer schrieb in einem Gutachten vom 26.12.1976:

„In meinen Augen behält ihre Orgel trotzdem dokumentarischen Wert. Sie ist quasi ein Spiegel ihrer Zeit, in den man gerne hineinsieht, auch wenn die Konturen ein wenig verblasst wirken. Immerhin gehört das Werk zu den größten in Deutschland. So verbleibt eigentlich nur der eine Weg, das Werk nach den von Seifert korrekt erstellten Plänen zu restaurieren“.

Klangbeispiel der Disposition von 1981 – Rosalinde Haas – Aufnahme 1982

Alsbald erteilte der damalige Rektor der Wallfahrt Prälat Richard Schulte-Staade der Firma Seifert den Auftrag zur Rekonstruktion und Restaurierung der Orgel, welche insgesamt 4 Jahre dauerte.

Die Restaurierung ging leider zumindest klanglich in die falsche Richtung. Anstelle der fehlenden Grundstimmen wurden nur noch weitere hochliegende Aliquoten und Mixturen eingebaut, die im Gesamtklang unangenehm auffielen. Also eine weitere zeittypische Zutat des sogenannten „Neobarocken Klangstils“. In diesem Zuge wurde auch ein barock orientiertes Chorbegleitwerk mit 13 Registern in den Unterbau der Orgel integriert. Das fehlende Fernwerk wurde nicht nachgebaut.

Alle anderen Arbeiten, wie zum Beispiel der Nachbau aller fehlenden Gehäuseteile durch die Kunstschreinerei Karl Neuy, die Reparatur der Membranwindladen und die Erneuerung des prächtigen Orgelprospektes durch Zinnpfeifen, wurden ganz im Sinne des Originals ausgeführt. Durchgreifend verbessert wurde auch die früher nicht besonders stabile Windversorgung durch Einbau von großen Schwimmerbälgen für jedes einzelne Werk. Nach Abschluss der Maßnahme hatte die Orgel 128 Register.

Disposition 1981

I UnterwerkII HauptwerkIII OberwerkIV SchwellwerkPedal
Pommer 16′Principal 16′Gedackt 16′Lieblich Gedackt 16′Contrabass 32′
Principal 8′Bordun 16′Principal 8′Principal 8′Bordun 32′
Grobgedackt 8′Principal major 8′Flaut harmonique 8′Geigenprincipal 8′Principalbass 16′
Oktave 4′Principal 8′Rohrflöte 8′Konzertflöte 8′Octavbass 16′
Koppelflöte 4′Fugara 8′Seraphon Gambe 8′Gedackt 8′Violon 16′
Oktävlein 2′Doppelflöte 8′Doppelgedackt 8′Aeoline 8′Subbass 16′
Querpfeife 2′Flaut major 8′Cello 8′Vox coelestis 8′ Gedacktbass 16′
Spitzquinte 11/3Gambe 8′Vox Angelica 8′ Octave 4′Salicetbass 16′
Sesquialter 2fQuintviole 8′Dolce 8′Traversflöte 4′Quintbass 102/3
Scharff 4fGemshorn 8′Quintatön 8′Nachthorn 4′Principal 8′
Cymbel 3fGedackt 8′Octave 4′Gemshorn 4′Bassflöte 8′
Cor Anglais 16′Quinte 51/3Rohrflöte 4′Flute celeste 4‘Dulciana 8′
Hautbois 8′Seraphon Octave 4′Violine 4′Quintflöte 22/3Quinte 51/3
TremulantSeraphon Fugara 4′Flauto dolce 4′Superoctave 2′Seraphon Fugara 4′
Hohlflöte 4′Nasard 22/3Flautino 2′Octave 4′
NebenstimmenOctave 4′Octave 2′Terzflöte 13/5Flöte 4′
CelestaFlauto 4′Piccolo 2′Quinte 11/3Mixtur 6f
Cymbelstern Terz 31/5Terz 13/5Sifflöte 1′Hintersatz 5f
Quinte 22/3Septime 1 1/7‘Mixtur 4fBombarde 32′
Octave 2′Progressio 3fTerzcymbel 3fPosaune 16′
Flöte 2′Mixtur 4fPaletta 3-7fTrompete 16′
Octavin 1′Octavcymbel 3fCarillon 3f (ab c1)Trompete 8′
Mixtur 5fScharff 5fTuba 16′Fagott 8′ 
Cymbale 5fFagott 16′Trompete 8′Clairon 4′
Cornett 4f (ab c0)Trompete 8′Oboe 8′Seraphon Clarino 2′
Tuba 16′Clarinette 8′ Krummhorn 8′
Trompete 8′Schalmei 4′Vox humana 8′
Feldtrompete 4′Clairon 4′
Tremulant
Vogelstimme
Celesta 4‘
5. Erweiterung 1987

Auf Initiative des damaligen Basilikaorganisten Wolfgang Seifen wurde die Orgel um ein wichtiges Element erweitert: 3 horizontale Zungenregister, deren Mensuren den Chamaden der Cavaille-Coll Orgel Basilica Sacre Coeur nachempfunden sind: Tuba magna 16‘; Tuba mirabilis 8‘; Cor harmonique 4‘.

Anlass hierzu gab der Besuch von Papst Johannes Paul II., den man in Kevelaer würdig empfangen wollte. Diese kräftigen Horizontalzungen sind mittlerweile das unverwechselbare Markenzeichen der Basilikaorgel. Sie geben dem Gesamtklang große Strahlkraft und feierliche Noblesse.

Aufgrund der weggefallenen Sub- und Superkoppeln konnte somit der „Klangschwund“ kompensiert werden. Auch im Pedal wurden unter seiner Regie Änderungen vorgenommen: Der Gedacktbass 16‘ wurde zu einem Terzbass 12 4/5‘ umgearbeitet, die Trompete 16‘ zur Quinttrompete 10 2/3‘ aufgerückt und eine Quintkoppel eingebaut. Hiermit wurde bewirkt, dass die Stimmen des Großpedals, die 1981 hinter den Gurtbogen gestellt wurden und nicht mehr die nötige Präsenz im Raum entwickeln konnten, gestützt wurden. Die Bombarde 32‘ wurde ebenfalls komplett erneuert und nach den Plänen von Cavaille Coll (Modell A2) gefertigt. Die alte Bombarde hatte schon immer zu wenig Kraft gehabt und funktionierte nie wirklich zufriedenstellend. Der Hauptgrund war aber fortgeschrittener Holzwurm in den Bechern.

Klangbeispiel der Disposition von 1987 – Wolfgang Seifen – Aufnahme 2000
6. Generalreinigung 2002

Ein Brand in der Basilika machte 2002 eine groß angelegte Reinigung der Orgel nötig. Bei dieser Gelegenheit wurde das Windsystem neu organisiert und neue Kanäle gefertigt.

7. Wiederaufbau des Fernwerkes & Rekonstruktion des Spieltisches 2004

Das Jahr 2004 war für die Wiederherstellungsgeschichte der Orgel ganz besonders wichtig. Nach fast 60 Jahren konnte endlich das Fernwerk rekonstruiert werden.

Dies wurde auch möglich, weil der Seniorchef der Firma Seifert, Ernst Seifert II., in seinem Erbe einen großen Betrag für den Wiederaufbau hinterlassen hatte. Dies war ihm immer schon ein Anliegen gewesen. In den Gottesdiensten saß er stets im südlichen Querschiff und blickte auf das leere „Loch“ aus dem bis 1945 die schönen Klänge kamen, an die er sich noch erinnern konnte.

Eigentlich war das Fernwerk ein schmuckloser Schwellkasten hinten in der Ecke, mit einem eigenen, einmanualigen Spieltisch. Diesmal wurde ein prächtig verzierter Schnitzprospekt gebaut, der sich an die Gestaltung der großen Orgel anlehnt. Auf die Errichtung eines zusätzlichen Spieltisches wurde verzichtet.

Zusätzlich wurde hinter dem Hochaltar ein Röhrenglockenspiel erbaut und der Spieltisch in seiner optischen Gestalt wieder an das Vorbild von 1926 umgearbeitet.

Fernwerk auf der Nordempore
Restaurierter Spieltisch auf der Hauptempore 2004
8. Rückführung zum Orginalzustand in Etappen 2010 – 2018
Eine der großen 32‘ Pfeifen im Kirchenraum aufgestellt. (Von links nach rechts: Gottfried Mülders, Elmar Lehnen, Franz Peters, Roman Seifert, Marco Ellmer, Roland Booms und Simon Hufschmidt)
Foto: Marco Ellmer

Ab dem Jahr 2010 wurde die Orgel Stück für Stück in die originale Klanggestalt zurückgeführt.

Als erste Maßnahme wurde das bei der Restaurierung 1977-1981 ausgebaute Register Euphone 8‘, 2010 wieder eingebaut und die Feldtrompete 4‘ entfernt. Glücklicherweise war es noch bei Seifert eingelagert. Zum 125 jährigen Firmenjubiläum von Orgelbau Seifert wurde das Register Viola 16‘ eingebaut.

Nachdem sich im Jahre 2013 der Orgelbauverein gegründet hatte, konnte bereits 2014 die nächste große Maßnahme stattfinden. Im Schwellwerk wurden die fehlenden Register Horn 8‘ (Original, bei Seifert eingelagert), Seraphonvioline 8‘, Salicional 8‘ und Flauto amabile 8‘ eingebaut. Im Jahr 2015 wurde das Schwellwerk dann komplettiert mit den Stimmen Salicet 16‘, Cremona 4‘ und Harmonia 3f.

Klangbeispiel der Disposition von 2018 – Elmar Lehnen – Aufnahme 2021

Bei einer Reinigung des Hauptwerks und dem austauschen der Membranen im Jahr 2016 wurden Gamba 16‘ und Violine 8‘ rekonstruiert. Die Gamba 16‘ wurde 1949 abgesägt und zum Principal 8‘ im Pedal umgearbeitet. Glücklicherweise konnten die ersten 30 Töne wieder angelängt und neu intoniert werden.

Anschließend folgte im gleichen Jahr die Reinigung des Pedals mit ebenfalls neuen Membranen und dem Einbau der Register Principal 8‘, Bordun 8‘ sowie Cello 8‘. Durch den glücklichen Umstand einer hohen Geldspende konnten 2018 die 5 tiefen Noten des Contrabass 32‘ eingebaut werden. Diese Töne wurden vorher akustisch aus einem eigenen Principal 16‘ und einer Quinte 10 2/3‘ gebildet. Ebenfalls wurde die Septime 4 4/7‘ rekonstruiert.

9. Die große Restaurierung und Erweiterung Januar 2022 – Dezember 2023

Im Januar 2022 wurde die Orgel in mehrwöchiger Arbeit abgetragen. Das gesamte Pfeifenwerk und alle technischen Elemente wurden ausgebaut und in die Werkstatt Seifert transportiert. Folgende Arbeiten wurden ausgeführt:

  • Komplette Reinigung der Orgel
  • Neuorganisation der Windanlage mit zwei neuen Doppelfaltenmagazinbälgen und neuen Windkanälen
  • Revision der Gebläse durch Firma Andreas Luyven, Kevelaer
  • Platzierung der Register auf den originalen Plätzen
  • Rekonstruktion der fehlenden Stimmen Cymbel 5f, Terzbass 6 2/5‘, Trompete 16‘ C-FS, Terz 3 1/5‘ C-fs°, Cornett 2-4f C-H, Ausbau der Superkoppel im SW Lade III.1 cs4-a4
  • Rückführung des Gedacktbass 16‘ (bisher Terzbass 12 4/5‘)
  • Einbau des zusätzlichen Registers Klarine 4‘ im Oberwerk
  • Neue Tonrelais für alle Werke mit Reisnermagneten
  • Neue Steuerleitungen in 14 mm Bleirohr zu den Pfeifenstöcken
  • Neuorganisation Großpedal an neuem Standort unten in der Orgel
  • Neubelederung des Balges im Oberwerk und neue Position
  • Neuer Treppenaufgang
  • Vorziehen der Gehäusefront im Unterbau
  • Einbau einer unsichtbaren Waschkabine
  • Überarbeitung der Registerapparate
  • Neue Membranen Schwellwerk und Oberwerk
  • Erneuerung aller elektrischen Elemente
  • Bombarde 32‘ C-H erneuert unter Verwendung der alten Becher mit Längenkorrektur
  • Erneuerung defekter Pfeifen
  • Einbau eines neuen Tremulanten im Oberwerk als Drucktremulant
  • Neue Beleuchtung in der Orgel durch Fa. Wehren, Kevelaer sowie andere nötige Elektroinstallationen
  • Komplette Neuintonation und Anpassung der Winddrücke, Legen einer leicht ungleichstufigen Stimmtemperatur (Seifert 1)
  • Wartungsfreundlichkeit durch zusätzliche Laufböden und Leitern verbessert
  • Generalspieltisch im Kirchenraum
  • Überarbeitung und Neuorganisation Bühnenspieltisch

Fernwerk:

  • Reinigung
  • Einbau einer neuen Vox coelestis 8‘
  • Einbau einer neuen Physharmonika 16‘ & 8‘
  • Einbau eines neuen Tremulanten als Auslasstremulant
  • Nachintonation
Neuer fahrbarer Spieltisch im Kirchenraum mit Blick auf die Hauptorgel, 2024
Überarbeiteter und Neuorganisierter Spieltisch auf der Hauptempore 2024

Begleitet wurde die große Restaurierung und Erweiterung der Seifert-Orgel durch die WDR Lokalzeit. Durch dieses große Glück können wir ein paar schöne Einblicke teilen und haben eine bleibende, tolle Erinnerung an eine aufregende Zeit. Weitere Dokumentationen sind auf der Unterseite Rezeption zu finden.

Die Orgel präsentiert sich heute im Zustand der Erweiterung von 1926 unter Einbeziehung aller sinnvollen Erweiterungen der letzten Jahrzehnte. Technisch und klanglich ist das Instrument in einem bisher nie dagewesenen Zustand.

Disposition 2024
I HauptwerkII OberwerkIII SchwellwerkIV FernwerkPedal
Principal 16′Viola 16′Salicet 16′Bordun 16′Contrabass 32′
Bordun 16′Gedackt 16′Lieblich Gedackt 16′Principal 8′Bordun 32′
Gamba 16′Principal 8′Principal Major 8′Seraphon Flöte 8′Principalbass 16′
Seraphon Principal 8′Flaut harmonique 8′Geigenprincipal 8′Gedackt 8′Octavbass 16′
Principal 8′Rohrflöte 8′Seraphon Concertflöte 8′Violine 8′Violon 16′
Seraphon Fugara 8′Seraphon Gamba 8′Horn 8′ Aeoline 8′Subbass 16′
Seraphonflöte 8′Seraphon Gedackt 8′Flaut amabile 8′Vox coelestis 8′ ab c° Gedacktbass 16′
Flaut major 8′Cello 8′Gedackt 8′Labial Oboe 8′Salicetbass 16′
Gambe 8′Vox Angelica 8′ Seraphon Violine 8′Quintatön 8′Quintbass 102/3
Violine 8′Dolce 8′Salicional 8′Octave 4′Principal 8′
Gemshorn 8′Quintatön 8′Aeoline 8′Traversflöte 4′Bassflöte 8′
Gedackt 8′Octave 4′Vox coelestis 8′ Waldflöte 2′Bordun 8′
Quinte 51/3Rohrflöte 4′Octave 4′Sesquialter 2fCello 8′
Seraphon Octave 4′Violine 4′Traversflöte 4′Trompete 8′Dulciana 8′
Seraphon Fugara 4′Flauto dolce 4′Cremona 4′Cor Anglais 8′ Terzbass 62/5
Hohlflöte 4′Nasard 22/3Gemshorn 4′Physharmonika 16′Quinte 51/3
Octave 4′Octave 2′Quintflöte 22/3Physharmonika 8′Septime 44/7
Flauto 4′Piccolo 2′Flautino 2′CelestaSeraphon Fugara 4′
Terz 31/5Terz 13/5Terzflöte 13/5TremulantOctave 4′
Quinte 22/3Septime 1 1/7‘Nachthorn 4′Flöte 4′
Octave 2‘Progressio 1-3f 2 2/3‘Harmonia aetheria 3f 2 2/3‘CymbelsternBombarde 32′
Flöte 2‘Mixtur 4f 2′Mixtur 4fSeraphon CelestaPosaune 16′
Octavin 1′Cornett 5fCarillon 3f (ab c1)Trompete 16′
Mixtur 5fFagott 16′Cornett 5fTrompete 8′
Cymbel 5fTrompete 8′Tuba 16′Fagott 8′ 
Cornett 2-4fClarinette 8′ Trompete 8′Clairon 4′
Tuba 16Schalmey 8‘Oboe 8′Seraphon Clarino 2′
Trompete 8′Klarine 4‘Krummhorn 8′
Euphone 8′ TremulantVox humana 8′Fernpedal
Clairon 4′Subbass 16′
Bombarden ClavierTremulantGedacktbass 16′
Tuba magna  16‘Octavbass 8′
Tuba mirabilis 8‘
Cor harmonique 4‘

Detail-Liste Disposition 2024

Klangbeispiel in der Disposition von 2024 – Jonathan Scott – Aufnahme vom 25.04.2024